Glaube im Alter

Glaube im Alter

„Je älter ich werde, desto schwerer fällt mir das Glauben.“ Wenn Pater Franz Richardt Senioren im Altenheim besucht, hört er manchmal Sätze wie diese. „Viele Menschen, die tief im Glauben verankert waren und immer noch sind, machen diese Erfahrung“, sagt er. Im Interview berichtet Pater Franz, geistlicher Direktor im Haus Ohrbeck, vom Glauben im Alter – wie er sich verändert, was ihn ausmacht, was ihn prägt.

Pater Franz Richardt, geistlicher Direktor im Haus Ohrbeck (Bild: kirchenbote.de)
Pater Franz Richardt, geistlicher Direktor im Haus Ohrbeck (Bild: kirchenbote.de)

„Mir fällt das Glauben immer schwerer!“ Wenn Sie diese Erfahrung schildern, die viele Menschen im Alter machen, klingt das zunächst pessimistisch. Gibt es auch positive Seiten des Älterwerdens?
Ja. Das Älterwerden bietet so viele Chancen, die man in der Jugend und im mittleren Alter nicht hat. Ich denke an die Worte meines Mitbruders, der sagt: „Ich frage mich nicht, was ich nicht mehr kann, sondern ich frage mich, was ich erst jetzt kann – und das ist ganz viel.“
Ich merke zum Beispiel, dass ältere Menschen eine tiefe Dankbarkeit empfinden – auch und gerade dann, wenn das Leben nicht immer einfach war. Im Gespräch höre ich dann hin und wieder: „Wenn ich zurückblicke, kann ich eigentlich nur dankbar sein, dass ich das alles geschafft habe!“ Ein Zweites: Ich habe viel gelernt und verstehe das Leben jetzt ein bisschen besser. Gerade auch das, was nicht gut war oder was ich nicht gut gemacht habe, hat mich vorangebracht. Und ein Drittes: Ich verstehe die Zusammenhänge des Lebens vielleicht besser und kann sie auf den Punkt bringen.

Wird man im Alter frommer?
Wenn man darunter versteht, dass alles leichter wird, dass man immer besser und tiefer beten kann, dass man Gott immer mehr an seiner Seite spürt, dass es einem immer leichter fällt, zur Kirche zu gehen, dann vielleicht eher nicht.
Ich erlebe Menschen, die sehr darunter leiden, dass sich alles so tiefgreifend verändert: dass die eigenen Kinder nicht mehr zur Kirche gehen, dass sie wiederum ihre Kinder nicht mehr taufen lassen, dass die Kirchen so leer geworden sind, dass gute Freundinnen und Freunde nicht mehr mitmachen.
Ich erlebe ältere Menschen, die gerade im Alter spüren, wie sehr sie in der Glaubenserziehung zu ganz engen Moralgrenzen erzogen wurden und ihre liebe Mühe haben, sich auf ihr eigenes Gespür und Gewissen zu verlassen.
Ich erlebe ältere Leute, die sagen: „Ich kann eigentlich nicht mehr gut beten. Ich kann mich gar nicht mehr konzentrieren. Ich bin oft müde. Ich spüre so wenig von Gott. Ich bete zwar, aber manchmal ist das Herz weit weg. Und dann lasse ich es lieber, als dass ich mich weiter bemühe und quäle.“ Und manche müssen, wenn sie ehrlich sind, feststellen: „Ich weiß gar nicht, ob ich noch glaube.“

Worin liegt dann der Gewinn?
Ich bin der Überzeugung, dass gerade in diesen Erfahrungen ein wesentlicher Schritt im Reifen des Glaubens getan wird und getan werden kann, dass das Glauben in seinen eigentlichen Kern vorstoßen kann, nicht vorstoßen muss. Es gibt Leute, die einfach nicht mehr glauben, auch wenn sie früher mal geglaubt haben. Aber es gibt auch viele, die ganz nüchtern, nicht unbedingt hochbegeistert, aber tief nachdenklich ihren jetzigen Glauben leben.

Freiwilligendienst im Ausland (Bild: privat)
Was Glaube im Alter ausmacht: den Weg im Vertrauen auf Gott weitergehen (Bild: fotolia.de, Zlatan Durakovic)

Was macht Glaube im Alter aus?
Im Alter werden wir letztlich ganz existentiell mit der Frage konfrontiert: Was glaubst du denn wirklich? Wie ist es, wenn dein Leben jetzt zu Ende geht? Was hält dich? Was trägt dich? Kannst du dich fallen lassen? Und was ist, wenn ich von diesem Gott, an den ich geglaubt habe, so wenig spüre, wenn ich ihn nicht sehe, wenn ich ihn nicht verstehe, wenn liebe Menschen Krebs bekommen oder dement werden, wenn das Leben mit Krankheiten so unerträglich wird, dass man am liebsten weg wäre, um sich selbst und vor allem den Anderen nicht zur Last zu fallen.
Das ist es möglicherweise: dass uns im Alter nicht mehr so sehr das Reden über Gott ansteht, sondern dass wir unseren Weg tapfer mit Gott weitergehen, der in Jesus Christus unsere Wege tapfer weiter mitgegangen ist bis in den Tod. Wer an Gott festhält – das glaube ich – wird möglicherweise auch auf die Probe gestellt, wie tragfähig sein Glaube ist und ob er auf ein gutes Fundament gegründet ist.

Was raten Sie älteren Menschen, denen das Glauben immer schwerer fällt?
Es ist sicherlich sehr hilfreich, sich immer wieder in die Räume der Glaubensgemeinschaften zu begeben, also zum Gottesdienst zu gehen, wo ich mit anderen zusammen bin, die ebenfalls ihren Glauben ausdrücken. Der Glauben muss nicht perfekt sein, aber er kann getragen werden vom gemeinsamen Beten, gemeinsamen Singen. Ich lebe vom Zeugnis der Anderen und gebe für die Anderen Zeugnis. Das ist der Segen des gemeinsam gefeierten Gottesdienstes. So können wir vom Glauben, der uns schwerer wird, zum Glauben kommen, der uns tiefer wird.
Und für mich persönlich sollte ich all die guten Riten weiter üben, die ich im Leben gelernt habe, also den Tag mit einem Kreuzzeichen beginnen, Stoßgebete zum Himmel zu schicken, eine Kerze in der Kirche für die Nöte der Anderen anzünden und vielleicht manchmal nur auf der Bank sitzen und die Natur betrachten, die mir vieles über Gott sagt, über das Wachsen und Vergehen, über den Anfang und das Ende.