Liebt einander

Bibelfenster zum 2. Mai 2013:

Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr einander liebt.

Einheitsübersetzung, Johannes 13, 33-35

Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb! Ob Guildo Horn oder Kindertagesstätte – manchmal wird es einfach zu viel: das Singen und Reden von der Liebe. Inflationär, triefend, harmlos…
Auch das kirchliche Sprechen von der Liebe mag mancher kaum noch hören, weil es in Frage gestellt wird durch das äußere Erscheinungsbild der Kirche, durch die Diskrepanz zwischen Sprechen und Handeln, zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Dabei ist die Liebe doch so vielfältig und so toll wie die Begriffe, die von ihr sprechen: Caritas, Eros, Agape… Hilfe und Geborgenheit, Zärtlichkeit und Leidenschaft, Teilen und Gemeinschaft.

Die Kirche braucht wohl einen neuen Anfang – auch in ihrer öffentlichen Rede von der Liebe. Ein neues Gebot gebe ich euch, sagt Jesus: Liebt einander. Ein neues Gebot. Aber halt! Das ist zunächst einmal merkwürdig. Von der Liebe ist in der Heiligen Schrift doch überall die Rede, Gottesliebe und Nächstenliebe sind schon im Alten Testament zu finden. Wie kann Jesus da von einem neuen Gebot sprechen?

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

Haben Sie eine Frage? Oder eine ganz andere Idee zum Thema?

Dann schreiben Sie uns!
An bibelfenster@bistum-os.de

Der Evangelist Johannes könnte es der jungen Gemeinde der Christen so erklärt haben: „Wenn ihr fragt, was ist neu, dann sage ich euch: Neu ist, dass ihr ein ganz konkretes Beispiel vor Augen habt, Jesus nämlich.“ Es geht eben nicht um einen Kalenderspruch, den man sich an die Wand hängen kann. Diese Liebe nach dem Beispiel Jesu muss man leben – und dann kann sich vieles umkehren und verändern. Diese Liebe Jesu ist alles andere als harmlos, sie besitzt soziale Sprengkraft.

Das macht Johannes deutlich durch den Ort, an dem er von diesem neuen Gebot berichtet.  Es ist der Ort der Fußwaschung. Dieses Zeichen des dienenden Abstiegs Jesu ist dem Text von der Liebe vorausgegangen, es ist sozusagen die Folie, vor der Johannes das neue Gebot verkündet. Jesus sagt nur wenige Zeilen vor dem heutigen Text: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Er hat sich aus freiem Willen in den Dienst der Fußwaschung begeben. Der römische Kaiser Caligula ließ sich von den Senatoren die Füße waschen, um sie zu demütigen. Bei Jesus ist das im wahren Sinn des Wortes umgekehrt. Da wird der Meister zum Diener.

„Wir wollen nicht Herren über euren Glauben sein, sondern Diener zu eurer Freude.“ Das kann man bei Paulus im zweiten Korintherbrief  lesen. Vielleicht wäre dieser herrschaftsfreie Liebesdienst ein guter neuer Anfang für die Kirche. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr einander liebt.“

Diakon Gerrit Schulte