Die Tür öffnen

Bibelfenster zum 22. Juli 2016

In jenen Tagen erschien der Herr Abraham bei den Eichen von Mamre. Abraham saß zur Zeit der Mittagshitze am Zelteingang. Er blickte auf und sah vor sich drei Männer stehen. Als er sie sah, lief er ihnen vom Zelteingang aus entgegen, warf sich zur Erde nieder und sagte: Mein Herr, wenn ich dein Wohlwollen gefunden habe, geh doch an deinem Knecht nicht vorbei!
Man wird etwas Wasser holen; dann könnt ihr euch die Füße waschen und euch unter dem Baum ausruhen. Ich will einen Bissen Brot holen, und ihr könnt dann nach einer kleinen Stärkung weitergehen; denn deshalb seid ihr doch bei eurem Knecht vorbeigekommen. Sie erwiderten: Tu, wie du gesagt hast. Da lief Abraham eiligst ins Zelt zu Sara und rief: Schnell drei Sea feines Mehl! Rühr es an, und backe Brotfladen! Er lief weiter zum Vieh, nahm ein zartes, prächtiges Kalb und übergab es dem Jungknecht, der es schnell zubereitete. Dann nahm Abraham Butter, Milch und das Kalb, das er hatte zubereiten lassen, und setzte es ihnen vor. Er wartete ihnen unter dem Baum auf, während sie aßen.

Einheitsübersetzung, Genesis 18,1-8

 

Viele biblische Geschichten entfalten sich auf dem Hintergrund orientalischer Gastfreundlichkeit. Auch diese. Ich verstehe sie oft besser, wenn ich zurückgreife auf Erfahrungen, die ich in Afrika machen durfte. Es waren zumeist arme Familien, mit denen ich Kontakt hatte. Sie zu besuchen, war nicht unkompliziert – gerade wegen der Gastfreundschaft.

Es war üblich zumindest eine Cola zu servieren. Kalt und erfrischend bei den extremen Klimaverhältnissen, wohltuend und heilsam bei der ständigen Übelkeit, die mit Malariaprophylaxe oder -therapie einherging. Auch in den Slums gab es von Coca Cola betriebene Kühlregale, der Einkauf war also nicht das Problem, wohl aber die Bezahlung. Der Kauf der Cola für den Gast kostete so viel wie das Essen eines Tages für die ganze Familie – und trotzdem rannte eines der Kinder los, um die Cola zu besorgen: alles für den Gast!

Das Bibelfenster

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Daran erinnerte ich mich, als ich über Abraham staunte, der sich buchstäblich ein Bein aussriss und seine Gäste geradezu nötigte, zu bleiben, um ihnen das Beste aufzutischen, das er anbieten konnte. Dann spielt er seinen Einsatz auch noch herunter und spricht nur von einem „Bissen Brot“ und einer „kleinen Stärkung“. Das alles für Unbekannte, die bald weiterziehen.

Ich muss gestehen, dass ich nicht nur Schwierigkeiten hatte, die afrikanische Gastfreundschaft der Armen anzunehmen, sondern auch dabei, sie selbst zu praktizieren. Wenn meine afrikanischen Mitbewohner, das Mittagessen, das niemanden von uns satt machte, bereitwillig mit einem zufälligen Besuch teilten, dann bewunderte ich ihre selbstverständliche Großzügigkeit, kam aber selbst innerlich nicht so richtig mit.

Mir ging es eher wie der Martha aus dem Lukasevangelium, das auch am heutigen Sonntag verlesen wird: Sie reißt sich auch „ein Bein aus“ für ihre Gäste, Jesus und seine Jüngergruppe – ist dabei aber überfordert, gereizt und verbittert, dass ihre Schwester Maria ihr nicht hilft. An ihr nagt das Gefühl der Ungerechtigkeit. Ihr Einsatz scheint nicht richtig belohnt.

Was ist denn der Lohn einer großzügigen „Willkommenskultur“ à la Abraham? Den sieht auch ein Großteil unserer Gesellschaft nicht so recht ein. Dabei reden wir gar nicht davon, auf Existentielles zugunsten der Gäste zu verzichten, sondern von der Teilhabe am eigenen Wohlstand!

Sowohl in der Geschichte von gastfreundlichen Abraham als auch in der von Martha und Maria lassen die Gastgeber durch ihre Gastfreundschaft Gott selbst in ihr Leben ein, der darin Großes wirkt. Gastfreundschaft ist ein Türöffner für Gott. Das betont die Bibel an vielen Stellen. Ihn einzulassen lohnt sich allemal. Gerade in der Urlaubszeit stehen manchmal unvermutet Gäste vor unserer Tür. Ein guter Moment lieben, nahen oder auch fremden Menschen die Tür zu öffnen und Gott mit durchschlüpfen zu lassen.

Ina Eggemann