Unser starker, schwacher Glauben

Betende Hände
Bild: photocase.de, wilma

In jener Zeit baten die Apostel den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden, und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen. Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich, und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.

Lukasevangelium 17, 5-10 (Einheitsübersetzung)

 

Gottes Wort hin, unbequeme Wahrheit her – Stand heute würde ich Jesus das nicht mehr durchgehen lassen: Menschen, die Menschen als Sklaven „haben“ und undankbar zuerst an sich denken sollen – geht´s noch? Nur gut, dass es eigentlich gar nicht um Sklaverei und Anstand geht. Als Kind seiner Zeit hat Jesus die Sklaverei als solche nicht in Frage gestellt. Für uns verbietet sie sich angesichts der – christlich begründeten! – gleichen Würde aller Menschen. Und das geschilderte Benehmen geht auch gar nicht, basta!

Zudem finde ich die Aufforderung, sich für „unnütz“ zu halten, psychologisch daneben: anstatt mich abzuwerten, sollte ich mich über gut Gemachtes freuen, darf ich auch stolz darauf sein. Unnütz bin ich niemals, sondern kostbar und wertvoll – wie jeder Mensch!
Ich hoffe und glaube, Jesus sieht das auch so. Was ich mir schon von ihm mit diesem Gleichnis sagen lasse: Ich kann mir mit meinem Tun keine Ansprüche gegenüber Gott erarbeiten; und ich sollte nicht auf irgendeine göttliche Belohnung schielen, wenn ich aus dem Glauben heraus zu leben versuche. All das muss ich auch nicht; denn das, was ich brauche, gibt Gott gratis, Leben und Liebe, bedingungslos, barmherzig.

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Einleitend sagt Jesus Knackiges zu Glaubensschwäche und –stärke; was ich daraus mitnehme: Glauben ist nicht zuerst etwas Theoretisches für den Kopf, sondern etwas Wirkungsvolles für das Leben. Ein starker Glaube gibt Kraft, hat Auswirkungen, mitunter kann er sogar Berge versetzen. Ein Versuch lohnt, oder mehrere – ohne dass wir auf magische Weise alles könnten, was wir gerne hätten. Nur: Glaubensstärke lässt sich nicht einfach abrufen oder anschalten. Ich kenne niemanden, der oder die nicht immer wieder um einen starken Glauben bitten müsste, mit Zweifeln zu ringen hätte. Darum ist mir die Bitte der Jünger so sympathisch – und die Reaktion Jesu eigentlich zu barsch …

Martin Splett, Caritasverband für die Diözese Osnabrück