Die alte Schrift auf dem neuen Blatt

Bibelfenster zum 10. Januar 2016

Aber als die Wartezeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn. Er wurde von einer Frau geboren und war dem Gesetz unterstellt. Dadurch wollte Gott alle freikaufen, die dem Gesetz unterworfen waren. Auf diese Weise wollte Gott uns als seine Kinder annehmen. Weil ihr nun seine Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt. Der ruft: „Abba, Vater“! Du bist also kein Sklave mehr, sondern ein mündiges Kind.
Basisbibel, Galater, 4,4-7

Wie haben Sie wohl den Jahreswechsel gefeiert? Wir in Deutschland „lassen es ja gerne krachen“. Aus Spanien kenne ich den Brauch, Sylvester den „hombre viejo“ – den „Alten Menschen“ – zu verbrennen. Das Sündhafte, das Schlechte und Deprimierende soll mit dem alten Jahr vergehen.

Wie groß ist die Sehnsucht, dass im neuen Jahr sich doch vieles positiv verändern, eben  „neu“  werden möge. Sie spiegelt sich auch in unseren Überlegungen und Vorsätzen, im neuen Jahr vieles anders und besser zu machen.

Auch die Kirche setzt mit ihren Festen und Lesungen zum Jahresbeginn auf das „Neue“. Sie feiert Maria, die das Neue Gottes zugelassen hat, als sie Gottes Kind gebar – ein Kind, das uns allen die Chance zu einem neuen Leben geben wird.Die Chance zum Neuanfang fasziniert. Ich kaufe mir gern zum Jahresanfang ein neues Heft und einen neuen Stift; ich liebe es, die erste „jungfräuliche“ Seite zu beschreiben. Jedes Mal hoffe ich, dass ich, versehen mit diesen neuen Hilfsmitteln, schöner und leserlicher schreibe – und jedes Mal muss ich mir eingestehen, dass sehr bald die „alte Schrift“ das Blatt beherrscht.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Und ist es nicht auch mit dem neuen Jahr so? Machen wir unsere guten Vorsätze nicht schon mit dem Wissen über ihre lächerlich geringe Laufzeit? Der „alte Mensch“, der hombre viejo, er lässt sich nicht so leicht verbrennen – das Alte setzt sich immer wieder durch.
Für Paulus steht allerdings unwiderruflich fest, dass etwas Neues für uns alle geschah, als eine Frau ein Kind zur Welt brachte, welches Gottes Sohn war. Er beschreibt es als Wechsel von der Unfreiheit eines rechtlosen Sklaven, der ein besitzbares Eigentum war zu einem mündigen Kind, das alle Freiheitsrechte hat. Reif für die Freiheit sind wir durch Weihnachten geworden, meint Paulus. Die Sehnsucht nach einem neuen Anfang, die wir in den Jahresanfang hineinlegen, hat christlich gesehen also einen Geschmack von Freiheit.
Ina Eggemann