Für wen hältst du mich?

Bibelfenster zum 24. Juni 2016

Jesus betete einmal in der Einsamkeit, und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen halten mich die Leute? Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Messias Gottes. Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen.

Einheitsübersetzung, Lukasevangelium 9,18-21

 

Ich sitze in der Bahnhofshalle einer großen Stadt, warte an den Informationsschaltern, als mir einfällt, dass ich dieses Bibelfenster schreiben soll. „Für wen halten mich die Leute?“  Ich sehe mich um. Neben mir gestikulieren zwei Asiaten in Business-Anzügen, auf der anderen Seite küsst sich ein junges Paar, dort drüben sitzt eine dunkelhäutige Frau mit schlafendem Kind. Eine alte Dame sieht sich ratlos um. Für wen, frage ich mich, halten wohl all diese Leute hier Jesus? Für einen Spinner, einen Sozialromantiker, für einen Propheten oder eine seltsame Idee?

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Doch halt: Die Frage geht an mich. „Und du? Für wen hältst du mich?“ Ein Bahnhof ist kein Ort für hohe Theologie, sondern für Klartext: Du bist der Sohn Gottes, der gekommen ist, um zu bleiben – in unseren Herzen, für diese Welt. Ich halte es mit Petrus, sicher, und trotzdem gibt es noch einiges, was ich mich und nicht zuletzt dich fragen würde: Wer bist du jetzt und hier? Wer bist du für mich?
Die alte Frau spricht mich an: „Wie lange muss man hier warten?“ Ich schaue auf die Tafel mit der Warteanzeige. „Lange, fürchte ich.“ „O weh, dann werde ich meinen Zug verpassen!“ sagt sie erschrocken. Ich drücke ihr meine Nummer in die Hand, die wird gleich aufgerufen. Dankbar strahlt sie mich an: „Wirklich?“ Ja, ich kann mich wieder hinten anstellen, ich bin noch längst nicht fertig mit dem Nachdenken.

Martina Kreidler-Kos,
Frauenseelsorge/Ehe- und Familienpastoral