Über Sex muss man reden

Bunte Karte
Bild: Bistum Osnabrück

Der Name des Fachtags war Programm: „Über Sex muss man reden“ – so lautete der Titel der vierten Leuchtturmveranstaltung zum Synodalen Weg im Bistum Osnabrück, die am 16. Juni 2021 digital stattfand. Es ging dabei vor allem um die Suche nach einer Sprache über Sexualität, die gleichermaßen klar wie sensibel ist. Und auch darum, Sexualität insgesamt als Form der Kommunikation zu begreifen.

Bei seinem einführenden Vortrag betonte Gastredner Klaus M. Beier, Sexualmediziner an der Charité Berlin, die große Bedeutung der Beziehungsdimension von Sexualität. Mit Einblicken in die Frühgeschichte des Menschen und in neurologische Forschungen zum Thema machte er klar, dass es beim Thema Sex nicht nur um Lust oder Fortpflanzung geht, sondern vor allem immer darum, dass Menschen miteinander in Beziehung treten.

Sexualität als Form der Kommunikation

Dieser Gedanke wurde von Elmar Kos aufgegriffen, der als Moraltheologe an der Universität Vechta arbeitet. Er skizzierte die Probleme einer von vielen als veraltet wahrgenommenen kirchlichen Sexualmoral, in der Sexualität lediglich der Vereinigung zum Zweck der Fortpflanzung dient. Das entspreche nicht mehr der Lebenswirklichkeit heutiger Menschen, die ihre Sexualität selbst bestimmt leben wollten und für die Lust und erotische Liebe oft höherer Priorität hätten, als die Zeugung von Nachkommen. Kos warb für eine neue Sexualmoral: für eine Beziehungsethik, die Sexualität als Sprache, als Form der Kommunikation begreift. Aus kirchlicher Sicht sollte dabei seiner Meinung nach immer der Zusammenhang von Sexualität und Liebe betont werden. Eine solch neue Sicht auf Sexualität müsste laut Kos dann beispielsweise einen anderen Umgang der Kirche mit gleichgeschlechtlich Liebenden und eine neue Bewertung der Empfängnisverhütung zur Folge haben.

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„Du bist willkommen!“

Auch Inge Zumsande, im Bistum Osnabrück zuständig für die Beziehungspastoral, betonte in ihrem Statement die Bedeutung einer guten Sprachfähigkeit zum Thema, denn Sexualität müsse in der Beziehungspastoral immer als Element mitgedacht werden: „Leider sind wir oft nicht geübt darin – uns fehlen dir Worte, um das anzusprechen, was Menschen im Hinblick auf Sex in der Partnerschaft und darüber hinaus tatsächlich bewegt.“ Eine weitere wichtige Grundlage der Beziehungspastoral sei der Ansatz, jede und jeden willkommen zu heißen, so wie er oder sie ist – unabhängig von sexuellen Vorlieben oder Beziehungsstatus: „Dafür müssen wir als Kirche werben und das auch so meinen!“

Die Dimension der Freude in der Sexualität

Dass Sexualität – gerade im kirchlichen Kontext – zwar ein sensibles Thema ist, aber vor allem auch eins, das Spaß macht, hob Nina Lubberich hervor. Sie arbeitet als Pastoralreferentin im Bistum Osnabrück und ist ausgebildete Sexualpädagogin. Sexualität sei vielschichtig, es gebe oft große Unterschiede zwischen persönlichem Erleben und gesellschaftlichen Normen, außerdem eine Spannung zwischen Sex als sehr intimer, privater Sache und dem Thema Sex, das in der öffentlichen Wahrnehmung ständig und überall präsent sei – all das müsse sich in einer facettenreichen Sprache über Sex niederschlagen. Nur so sei es möglich, dass mehr Normalität im Umgang mit dem Thema entstehe. „Dann können wir auch mehr die Dimension der Freude in der Sexualität betonen!“, so Lubberich. Außerdem sagte auch sie, das Sexualität sich immer in Beziehung zu anderen Menschen vollziehe und zwar nicht nur in Bezug auf den oder die aktuelle Beziehung: „In ihr schlägt sich die Beziehungsgeschichte nieder, die sich von Kindheit an entwickelt hat.“

Konkrete Maßnahmen dringend erwünscht

Für Martina Kreidler-Kos, Leiterin des Seelsorgeamts im Bistum Osnabrück, stellen sich mit der ganzen Thematik Liebe, Sexualität, gelingende Partnerschaften die entscheidenden Zukunftsfrage für Kirche, denn diese Themen beträfen am dichtesten die Lebenswirklichkeit aller Menschen, auch außerhalb kirchlicher Zusammenhänge. Es sei deswegen von entscheidender Bedeutung, hier einen Orientierungsrahmen zu schaffen, der Menschen schützt und stützt. Ihr Apell: die Wichtigkeit des Themas zeigen, indem es über die Ebene der persönlichen Seelsorge hinaus auch auf der strukturellen Ebene durch praktische Maßnahmen angegangen wird, zum Beispiel in einem veränderten dienstrechtlichen Umgang der Kirche mit verschiedenen partnerschaftlichen Lebensformen oder auch in einem neuen Umgang mit Segensfeiern für alle. Auch im Plenum gab es einen großen Wunsch nach konkreten Veränderungen.

Was bleibt vom Fachtag? Nach der Erschütterung über die Vorfälle und das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Kirche steht sie vor vielen Aufgaben: die Suche nach einer Sprache der Sexualität, die Anerkennung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierungen und ihrer Beziehungen, die Weiterentwicklung einer angemessenen Sexualmoral, eine gelingende Präventionsarbeit und vieles mehr.

Bischof Franz-Josef Bode verwies zum Abschluss der Veranstaltung auf den 1. Johannesbrief und dessen Aussagen über die Liebe. Er betonte die hohe Relevanz des Themas, denn: „Wie man Beziehungen lebt, so ist auch der Glaube gestaltet – das hat ganz viel auch mit meiner Beziehung zu Gott zu tun.“ Dabei gehe es nicht darum, die katholische Sexualmoral komplett über Bord zu werfen, sondern sie weiterzuentwickeln. Er regte deswegen an, sich mit den Fragen der Beziehungsethik auf jeden Fall weiter zu beschäftigen und dabei alle Facetten von Sexualität zu berücksichtigen.

Die Referate des Fachtages sehen Sie hier im Mitschnitt:

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